Zur Situation der Kurden im Iran

- ein kurzer Überblick -

 

Nasser  Iranpour  (freier Journalist)

 

 

1. Die kurdischen Parteien im Iran

 

Die älteste noch existierende kurdische Partei in Iranisch-Kurdistan ist die „Demokratische Partei Kurdistan“. Die Bezeichnung wurde später um den geographischen Namen „Iran“ ergänzt, um sie etwa nicht mit der DPK Irak zu verwechseln. Die DPKI erlebte vor drei Jahren eine Spaltung. Zurzeit agieren zwei demokratische Parteien Kurdistans; eine mit und die andere ohne den Zusatz „Iran“. Die zwei Parteien unterscheiden sich nicht programmatisch voneinander.

 

Darüber hinaus gibt es eine weitere Volkspartei, nämlich die Komala, die bedauerlicherweise auch Opfer von Spaltungen und innerparteilichen Spannungen war. Mittlerweile sind drei Komala-Parteien auf der politischen Bühne Kurdistans aktiv. Eine ist die Kurdistan-Organisation der Kommunistischen Partei Iran und versteht sich eher als eine „bundesweite“ Organisation, während die anderen Parteien rein kurdische regionale Parteien sind.

 

Ferner sind einige kurdische Parteien wie Pejak und PAK zu nennen, die ebenfalls ihren Anteil am Kampf für die kurdische Sache haben.

 

 

2. Die Ziele und das Selbstverständnis der kurdischen Parteien im Iran

 

Fast alle kurdischen, insbesondere Volksparteien treten für eine demokratische, bundes-, rechts- und sozialstaatliche Gesellschaftsordnung im Iran und in Iranisch-Kurdistan ein.

 

Sie setzen sich ein für eine ökologische und soziale Marktwirtschaft auf der Grundlage der Achtung des Rechts auf Eigentum, bei gleichzeitiger Betonung der sozialen Verpflichtung des Eigentums und des Kapitals ein. Sie streiten für die Freiheit und Immunität des Individuums von Eingriffen des Staates, für Freiheit aller politisch, weltanschaulich und religiös Andersdenkenden und die Sicherung der Bürger- und Grundrechte, so wie sie in diversen internationalen und regionalen Menschenrechtskonventionen verankert sind. Darüber hinaus treten sie für die Sicherstellung der Gleichberechtigung von Mann und Frau auf allen gesellschaftlichen Ebenen, für die strickte Trennung von Staat und Religion sowie für die Bewahrung der Neutralität des Staates in religiösen und weltanschaulichen Wertfragen ein. Sie fordern eine defensive und pazifistische und vor allem nuklearfreie Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik, eine Kultur- und Bildungsautonomie der zu gründenden iranischen Bundesländer im Sinne des Dezentralismus und die Wahrung und Förderung der kulturellen, sprachlichen und politischen Vielfalt im Lande.

 

Die kurdischen Volksparteien bezeichnen sich mittlerweile alle als sozial-demokratisch, verstehen sich als Vorkämpferinnen für soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Sie sind Hauptströmungen der kurdischen nationalen Befreiungsbewegung im Iran und kämpfen für Konsensdemokratie und Selbstbestimmungsrecht. Sie treten ein für die Errichtung eines bundesstaatlichen Systems im Iran, in dem neben den Bürgerrechten die nationalen und kulturellen Kollektivrechte der Kurden bewahrt bleiben.

 

Das von unseren Parteien angestrebte Gesellschaftssystem basiert auf Pluralismus, Föderalismus, Emanzipation und Parlamentarismus.

 

 

3. Zur neueren Geschichte der Kurden im Iran

 

Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass der Schah Irans während des zweiten Weltkrieges Sympathien für den Nationalsozialismus zeigte, waren Truppen der UdSSR und Großbritanniens in Nord- bzw. Südiran stationiert. Die Zentralregierung übte somit keine Staatsmacht aus. Dies führte dazu, dass in manchen Regionen Irans „nationale Minderheiten“, welche bis dahin diskriminiert und unterdrückt worden waren, versuchten, sich politisch zu organisieren, so auch in Teilen Kurdistans, das teilweise frei von ausländischen und Regierungsarmeen war. Unter diesen Umständen wurde am 16. August 1945 in Mahabad/Iranisch-Kurdistan im Zuge einer organisatorischen und programmatischen Fortentwicklung der bereits bestehenden Vereinigung für die Kurdische Renaissance die Demokratische Partei Kurdistan (DPK) gegründet. Die DPK, ausgestattet mit einem modernen Parteistatut, wurde von den kurdischen Intellektuellen mit dem Ziel ins Leben gerufen, der nationalen Diskriminierung und Unterdrückung von Kurden ein Ende zu bereiten, sich am politischen Schicksal des Landes zu beteiligen und Kurdistan und Iran in Demokratie und Föderalismus mit zu führen. Die Partei gewann in kürzester Zeit die Zustimmung und Unterstützung der Bevölkerung und wurde jahrzehntelang zur einzigen politischen Kraft, die in der Lage war, die Massen zu bewegen.

 

Die Gründung der „Republik Kurdistan“, bekannt als „Mahabad-Republik“, durch die Demokratische Partei Kurdistan, ist die Sternstunde der Geschichte der Kurden, nicht nur in Iranisch-Kurdistan. Die chauvinistische und despotische Regierung Irans konnte keine demokratische Partei – schon gar nicht in Regionen wie Kurdistan – tolerieren, so dass sie die Republik von Mahabad nach nur elf Monaten Existenz niederschlug und viele Entscheidungsträger dieser jungen Demokratie hinrichtete. Sie errichtete eine Schreckensherrschaft in Kurdistan, so dass die Partei sich neu organisieren und den Kampf im Untergrund fortführen musste.

 

 

4. Iran nach der Machtübernahme der Mullahs

 

Nach dem Sturz der Pahlawi-Dynastie 1979 im Iran war die Hoffnung der Kurden groß, Freiheit und Selbstbestimmungsrecht zu erlangen. Die kurdischen Parteien versuchten in den ersten Jahren der Machtergreifung der Kleriker immer wieder, das kurdische Anliegen auf friedlichem Wege und am Verhandlungstisch vorzutragen. Die Reaktionen der neuen Machthaber waren ein Aufruf von Khomeini zur Niederschlagung der kurdischen Aufstandes und Massakrierung an Kurden, die Stürmung und Bombardierung unzähliger Dörfer und Städte Kurdistans durch die iranische Armee und vor allem durch das „Heer der Revolutionswächter“, Verhaftung, Folterung und Hinrichtung von Hunderten Menschen, Militarisierung der kurdischen Gebiete und Missachtung aller Grund- und Bürgerrechte sowie der Entzug kultureller und politischer Rechte.

 

Den Parteien Kurdistans blieben nichts übrig, als sich gegen die massiven Angriffe der „Kräfte der islamischen Revolution“ auch militärisch zur Wehr zu setzen. Sie strebten aber aus Prinzip gleichzeitig eine politische Lösung der Kurdenfrage an. Das haben sie auch bis jetzt bitter bezahlen müssen. 1989 wurde in Wien Dr. Abdolrahman Ghassemlou, der Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistan, Abdollah Ghaderi, Auslandsvertreter der Partei, und Dr. Fazel Rasul, Wissenschaftler und Vermittler dieser Gespräche, von Terrorist-Diplomaten der Islamischen Republik Iran am Verhandlungstisch ermordet.

 

Den österreichischen und deutschen Medien zufolge gehörte der jetzige iranische Präsident Ahmadinejad zum zweiten Attentatsteam, das eingreifen sollte, sollte das erste Team erfolglos bleiben.

 

Drei Jahre später wurde die Demokratische Partei Kurdistan ein weiteres Mal Opfer des iranisch-islamischen Terrorismus, als Dr. Sadegh Sharafkandi, Generalsekretär dieser Partei, Fatah Abdoli, Auslandsvertreter der Partei, Homayun Ardelan, Vorsitzender der Deutschland-Sektion der Partei, und ein weiterer Oppositionspolitiker im Berliner Mykonos-Restaurant durch Gesandte der Islamischen Republik Iran ermordet wurden.

 

 

5. Kein Deal mit dem islamischen Terrorstaat!

 

Das Regime der Islamische Republik Iran ist Hauptdrahtzieher des internationalen Terrorismus, unterstützt die wichtigsten terroristischen Gruppierungen ideell, finanziell, materiell und durch entsprechende Ausbildung. Es ist äußerst reaktionär, diktatorisch und totalitär sowie wirtschaftsfeindlich, kulturfeindlich, kunst- und wissenschaftsfeindlich, frauenfeindlich, antidemokratisch und vor allem antiwestlich.

 

Dieses Regime beabsichtigt auch noch in den Besitz von Atomtechnologie und -waffen zu gelangen. Darin liegt nicht nur die Gefahr für den Iran und den Westen, sondern auch für die gesamte Welt, gerade weil sie es im Iran nicht mit einer rationalen Regierung zu tun haben, sondern mit einem despotischen Regime, dessen Ideologie darin besteht, den politischen Islam und das Schiitentum zu expandieren und zu exportieren und die Moderne, die westliche Zivilisation und die westlichen Kulturen und Demokratien zu bekämpfen. Es gilt mit allen friedlichen und wenn es sein muss, auch mit militärischen Mitteln zu verhindern, dass ein solches Regime eine so gefährliche Waffe in die Hände bekommt.

 

Das beste Mittel, um die Terrorherrschaft im Iran zu beenden, ist kein „kritischer Dialog“, der sie in den letzten Jahren nur gestärkt hat, kein Deal mit den Henkern und Terroristen, sondern einzig und allein die Unterstützung der demokratischen Opposition in jeder Hinsicht.

 

 

6. Die Wahlen und die iranischen Nationalitäten

 

Bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Irans spielte die Nationalitätenfrage eine zentrale Rolle. Präsidentschaftskandidat Musavi, ein Azeri, aber vor allem Karrubi hatten sie zum Wahlkampfthema gemacht. Karrubi, der kein Perser, sondern ein Lor ist, warb damit, im Falle seiner Wahl dafür zu sorgen, dass einige religiöse, ethnische geschlechtsspezifische Diskriminierungen abgeschafft werden. Die herrschende chauvinistische Maschinerie war schon im Vorfeld der Wahlen diese Kandidaten zu diskreditieren. Diese Kanditen, vor allem Karrubi, wurden immer wieder – in Interviews, in Pressemitteilungen u. ä. - davor gewarnt, mit dem Feuer zu spielen und „ethnische Konflikte“ zu schüren. Das Regime sich spätestens beim dem Wahlergebnis gerächt, indem es beispielsweise von 13.300.000 Stimmen von Karrubi kurzerhand 13.000.000 für Ahmadinejad verbuchte.

 

 

7. Zur Geografie und Bevölkerung Iranisch-Kurdistans

 

Die Kurdengebiete umfassen die Provinzen Kurdistan, Kermanshah, Ilam und Teile von West-Aserbaidschan. Schätzungen zufolge machen sie 12 bis 18 Prozent der iranischen Gesamtbevölkerung. Es gibt keine offiziellen Angaben über deren genaue Zahl. Einem Lagebericht des Regimes an das iranische Parlament zufolge wird die Bevölkerungszahl von iranischen nichtpersischen Nationalitäten von Amts wegen geheim gehalten bzw. verfälscht, damit die Bewegungen dieser Nationalitäten und die westliche Zivilisation sie nicht gegen das „Heilige System der Islamischen Republik Iran einsetzen, um etwa nicht beweisen zu können, dass viele Diskriminierungen ethnisch und religiös bedingt sind.

 

 

8. Vielfältige Diskriminierungen der Kurden im Iran

 

8.1              Politisch

8.1.1           Verletzung des äußeren Selbstbestimmungsrechts

8.1.2           Verletzung des inneren Selbstbestimmungsrechts

8.1.3           Kein Minderheitenschutzmechanismus

8.1.4           Politik der Assimilation

8.1.5           Aufteilung Kurdistans in vier Provinzen

8.1.6           Ausschluss aus dem politischen Leben etwa aus religiösen und konfessionellen Gründen

8.2              Kulturell

8.2.1           De facto-Verbot der kurdischen Sprache

8.2.2           Weitgehendes Verbot der Pflege der kurdischen Kultur

8.2.3           Diskriminierung im Bildungssystem

8.2.4           Diskriminierung im Mediensystem

8.3              Religiös

8.3.1           Diskriminierung aus religiösen Gründen

8.3.2           Diskriminierung aus konfessionellen Gründen

8.4              Wirtschaftlich

8.4.1           Politik der verbrannten Erde

8.4.2           Kaum staatliche Investitionen

8.4.3           Verhinderung der privaten Investitionen

8.4.4           Flucht der Köpfe, des Kapitals und der Humanressourcen

8.5              Militarisierung Kurdistans

8.5.1           Dominanz der militaristischen Sicht der Machthaber in Kurdistan

8.6              De facto-Verbot دder zivilgesellschaftlichen Strukturen und Institutionen

8.6.1           Menschenrechtsorganisationen

8.6.2           Parteien

8.6.3           Gewerkschaften

8.6.4           Medien

 

Frankfurt, 20. Juni 2009